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Damit hier mal wieder was neues gepostet wird und der Anteil chemischer bzw. chemie-naher Beiträge wieder etwas stiegt poste ich mal was vom heutigen Arbeitstag.

Ich arbeite ja dieses Jahr wieder bei der Bezema AG in Montlingen (CH). Die Firma stellt vor allem Textilfarbstoffe (von Reaktiv bis zu Küpenfarbstoffen ist alles dabei), so wie Textilhilfsmittel (Knitterschutz, Egalisiermittel..) her. Ich bin dabei in der Qualtitätskontrolle tätig.
Dabei ist es dieses Jahr meine Aufgabe alte Produktionschargen zu suchen, Farbstofflösungen herzustellen und diese mit einem UV/Vis-Spektrometer von ARGUS COLOR zu vermessen. Das Gerät ist dabei laut Hersteller "kein Prototyp, sondern das erste Gerät seiner Serie." Als solches funktioniert es aber ausgezeichnet bis auf einige verbesserungswürdige Features der zugehörigen Software.
Das Gerät hat auf jeden Fall einen Autosampler um bis zu 8 Lösungen nacheinander zu vermessen. Weiters hat das Gerät den Vorteil, dass es im eingestellten Wellenlängenbereich zw. 350 und 800 nm automatisch das Maximum sucht und so lange hin und her verdünnt bis das Maximum eine Absorption von 1 aufweist. Interressant an dem Gerät ist weiters, dass es mit kontinuierlicher Verdünnung arbeitet. Das heißt es saugt in zwei Spritzen die Farbstofflösung und Lösungsmittel (hierbei gepuffertes Wasser) auf und entleert diese mit verschiedener Geschwindigkeit. Mischkammer gibt es dadurch keine, denn die Mischung erfolgt direkt beim Ventil an dem die zwei Ströme vereinigt werden. Funktioniert ausgezeichnet. Laut Chef wird das Prinzip nur von wenigen Firmen verwendet.

Jetzt aber zum eigentlich interessanten Teil des Beitrags:
Heute Morgen um 8:30 war im Nachbarlabor plötzlich einen dumpfen Ton zu hören, woraufhin meine Kollegin gleich mal ins Labor gerannt ist um zu sehen was passiert ist. Es folgte Geschrei und Gefluche, denn siehe da, der 3 Liter-Messbecher mit 2 Litern Aufschlusssäure war vom Magnetrüher im Abzug gefallen. Die Aufschlusssäure (fürs in Lösung-bringen von versch. Metallkomplex-Farbstoffen zur AAS-Analyse) besteht aus 1 Teil 60 %iger Perchlorsäure, 3 Teilen HNO3 conc. und 1 Teil H2SO4 conc., also doch eher ein ungemütlicher, da höchst oxidativer, Zeitgenosse.
Es entstand gleich mal eine ziemlich stechend riechende, dichte, weiß-graue Gaswolke, die recht schnell den Raum füllte. Mit Mantel, Schutzbrille und Staubschutzmaske (hier eher unnütz) bewaffnet stürmte meine Mitarbeiterin noch schnell retour ins Labor um einerseits die Fenster zu öffnen und andererseits ihr Red Bull zu retten. Welches der beiden ihr wichtiger war, bin ich mir noch nicht ganz so sicher.
Nach Verständigung der Sicherheitsbeauftragten und des Chefs kam nach wenigen Minuten ein Mitarbeiter mit Gasmaske und "Chemiebinder" und verteilte eben diesen ca. 10 cm hoch auf dem gesamten betroffenen Laborboden (die Säure schwappte über den Abzugrand unter dem geschlossenen Schild auf den Boden). Ca. 2,5 Stunden später war das Labor dann wieder halbwegs sauber und ohne Atemschutz betretbar. Leider durfte ich "Darth Vader" beim Putzen nicht photographieren...

Damit aber für den Arbeitstag nicht genug. Ich hatte heute mit Säurefarbstoffen zu arbeiten, welche um vollständig in Wasser in Lösung zu gehen zum Kochen gebracht werden müssen. Also hab ich eben 4 Erlenmeyer auf der Heizplatte aufgekocht. Da die 2 der Kolben jedoch fast zeitgleich zu sieden begonnen und die Lösungen zum Schäumen neigen, hab ich nur mehr noch einen schnell weggestellt und sofort nach dem zweiten gegriffen. Dieser schäumte jedoch über und verbrühte mir den Zeigefinger. Ich hatte zwar einen Handschuh aus weitmaschiger Synthesefaser an, um mich nicht am heißen Glas zu verbrennen, aber die Lösung ging nunmal durch. Tat verdammt weh, gibt aber dank rascher Kühlung und "Hydrogel-Wundverband" hoffentlich keine Blase, das wird sich dann morgen zeigen.

Fazit: 1. Schwein gehabt, dass bei der Aufschlusssäure grade keiner im Labor war (vor allem der Typ, der seinen Arbeitsplatz direkt vor dem Abzug hat)
2. 5-seitige Unfallberichte wegen einer Verbrennung ausfüllen ist extrem mühsam und unnötig.
3. Ich hinterfrage immer noch die Sinnhaftigkeit einer Vollschutz-Gasmaske, wenn man kurzärmelig ins rauchige Labor geht.

MfG

P.s.: ist länger geworden als erwartet. Ich hoffe trotzdem, dass der Beitrag von manchen gelesen wird.
Direktlink  Kommentare: 2 geschrieben von dine_oma 23.07.2010, 17:08
Eingeordnet unter: Dies und das, Labor


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